Bedeutung Gewinne laufen lassen – was ist damit gemeint?
Was bedeutet es, die Gewinne laufen zu lassen bei Aktien und warum machen es so viele Anleger falsch? Den Drang, Gewinne mitzunehmen, haben viele Anleger. Sehr ausgeprägt ist er bei Börsen-Einsteigern. Aber nicht nur die Anfänger handhaben es so, auch viele Anleger, die schon Jahrzehnte an der Börse sind. Wobei es dabei einen kleinen Unterschied gibt.
Ich beobachte dies sehr oft bei den Börsen-Einsteigern, dass sie ihre Gewinne sehr schnell realisieren. Seitdem ich meinen Blog habe, bekomme ich auch viele Fragen zu Verkäufen. Meist lautet die Frage so ähnlich: Aktie XY ist seit meinem Kauf um 8 Prozent gestiegen, soll ich die jetzt verkaufen?
Derartige Empfehlungen gebe ich ja generell nicht, jeder muss selbst für sich entscheiden. Ich gebe immer nur eine Empfehlung, kaufe Qualitätsaktien und investiere langfristig. Warum?
Wenn eine Qualitätsaktie innerhalb kurzer Zeit um 8 Prozent gestiegen ist, welche die Jahre zuvor auch immer gestiegen ist, warum sollte sie jetzt auf einmal damit aufhören, wenn die wirtschaftlichen Zahlen des Unternehmens gut sind?
Deswegen sollte man die Gewinne laufen lassen und nicht verkaufen. Mir ist eines aufgefallen bei diesen Fragen an mich. Es sind alles Bören-Neulinge, mit einem sehr kleinen Depot. Daher glaube ich ja, dass sie eine sehr hohe Verlustangst besitzen. Die haben sich ihr Geld erspart, lange erspart und jetzt sind sie ängstlich, dass sie etwas davon verlieren könnten.
Durch den schnellen Verkauf wollen sie ihren Gewinn sichern. Diese Strategie funktioniert langfristig nicht. Wer so vorgeht, verkauft auch sofort, sobald eine Aktie etwas im Minus ist. Langfristig verliert man auf diese Art Geld, wird nie auf einen grünen Zwei kommen.
Man muss eines über die Börse wissen und vor allem verstehen. Es geht um das langfristige Investieren, nicht um das kurzfristige Spekulieren. Langfristig heißt Jahrzehnte, nicht wie ich gerade erst im Fernsehen von einem Experten gehört habe, drei bis fünf Jahre.
Zum langfristigen Investieren gehören auch Börsencrash. Jeder muss verstehen, dass ein Crash nichts Schlechtes ist. In einem Crash kann man weitere Qualitätsaktien für sein Depot günstig kaufen. Der Depotwert wird sich wieder erholen. Man muss nur die Geduld besitzen, dies auszusitzen. Viele haben diese Geduld nicht. Dies führt zu einem erheblichen finanziellen Schaden.
Verwende nur Geld, welches du wirklich in diesem Zeitraum nicht brauchst. Einige kommen auf die absurde Idee, noch einmal schnell ihr Geld für den Autokauf an der Börse anzulegen, damit das neue Auto nächstes Jahr eine Nummer größer ausfällt. Vergiss es, klappt meist nicht. Kaufe Qualitätsaktien und behalte sie über Jahrzehnte. Lass den Gewinn laufen, verkaufe nicht.
Eingangs sagte ich ja auch, dass es Anleger gibt, die Aktien auch schon viele Jahre besitzen und dann Teilverkäufe vornehmen. Diese Aktien sind dann meist dick im Plus. Einige haben vor Jahren schon auf die Crash-Gurus gehört und alle ihre Aktien verkauft. Die Anzahl der direkten Aktionäre sinkt in Deutschland seit einigen Jahren.
Ich kann dieser Strategie nichts abgewinnen. Wer vor zwei Jahren alle seine Aktien verkauft hat, steht heute viel schlechter dar, als wenn er sie behalten hätte, außer er hatte Schrottaktien im Depot.
Auch den Teilverkäufen kann ich nichts abgewinnen. Warum sollte ich von meinen besten Rennpferden im Stall welche verkaufen? Wenn eine Aktie gut ist, wird sie in Zukunft auch weiterhin steigen. Durch den Verkauf werden auch noch Steuerzahlungen ausgelöst. Die neu gekaufte Aktie von dem Geld müsste deutlich besser performen als die alte, sonst würde sich das nicht rechnen. Ob eine Aktie besser ist als eine andere, weiß man aber erst im Nachhinein. Deshalb mache ich es nicht so. Buy and Hold und fertig.
Ich richte es so ein, dass meine Buy and Hold Positionen beim Kauf ungefähr gleichgroß sind. So habe ich eine gute Streuung. Ich kaufe auch nicht nach bei meinen Buy and Hold Positionen, suche mir eine andere neue Aktie für mein Depot. Breit gestreut, nie bereut.
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Bei den meisten Begrifflichkeiten aus der Welt der “Finanzpornos” stelle ich schon lange auf Durchzug. Wenn man alleine mal die letzten Monate durch die Börsenportale geklickt hat, hätte man eigentlich alles verkaufen müssen, nie investieren dürfen und weiterhin abwarten müssen. Warum sollte man bei ‘euphprischen Aktienmärkten’ eine ‘Kaufpause’ einlegen und ‘erleichtert aufatmen’, nur weil alles ‘uneinheitlich’ erscheint und eine ‘Gefahr für den [Index]’ vorhanden sei und man, bis sich alles ‘erholt’ hat und wieder ‘Zuversicht’ herscht, lieber die ‘Gewinne mitnehmen’ soll? Dies nur mal beispielhaft miteinander verbundene Stichworte aus verschiedenen Überschriften der letzten Monate, natürlich lange nicht vollständig.
Natürlich kommt man dann als Einsteiger auch mal auf die Idee, dass es ganz normal oder gar notwendig ist den Gedanken dieser Begriffe zu folgen. Dass es dabei weniger ums Investieren als um Aufmerksamkeitsgenerierung der Finanzjournalisten geht, sieht man dann eben nicht unbedingt.
Ob es dann tatsächlich nur die Verlustangst ist, vermag ich gar nicht zu unterstellen. Vielleicht ist der schwerwiegendere Punkt das fehlende Selbstverständnis eine auf das eigene Persönlichkeitsprofil passende Investmentstrategie gefunden bzw. eben noch nicht gefunden zu haben. Wer eine Tendenz zu Verlustängsten hat, wird vermutlich eine vorsichtigere Strategie wählen, doch wenn man sich begründet und fundiert zu einer solchen entschieden hat, wird man mit dieser Emotion viel besser umgehen können.
Man kann bei der Selbsteinschätzung auch völlig falsch liegen. Ich kann mich noch erinnern im Alter von ca. 20 Jahren in einem Fragebogen bei einer Kontoeröffnung angekreuzt zu haben, dass Sicherheit den höchsten Stellenwert hat. Doch obwohl sich das bis heute nicht umgedreht hat – Sicherheit ist vielleicht nicht mehr an höchster Stelle im Leben, aber keinesfalls unwichtig geworden – beträgt meine Ziel-Anleihenquote mittlerweile 0%. Klingt paradox, doch dieses “obwohl” ist eigentlich ein “gerade weil”, denn mittlerweile weiß ich, dass “kurzfristig” und “Volatilität” nicht die Risiken sind vor denen ich mich emotional schützen müsste, dagegen aber “langfristig” und “Sachwerte” die viel wichtigere Sicherheit sind.
Hallo Finanzheini,
man kann ja auch mit Aktien sich ein relativ sicheres Depot aufbauen, geht dann eben zu Lasten der Performance aber bringt Dividende. Vieles ist machbar, so wie es jeder haben möchte. Viele verstehen das aber nicht. Denken bei Börse gleich an Totalverlust. Emotionen sind bei vielen ein Problem, sie können die nicht ausblenden und dann wird es teuer. Ich habe noch nie Anleihen gekauft. Damals habe ich mich Aktien, Zertifikate und Fonds an der Börse angefangen, heute sind es nur noch Aktien.
LG Klaus