Zwei Portfolios miteinander zu vergleichen, ist wie der Vergleich von Äpfeln mit Birnen
Ich habe in einem Kommentar bei Facebook gelesen, wo ein vor zwei Jahren an der Börse gestarteter Anleger seine Depotperformance mit der eines Anlegers verglichen hat, der schon seit über 20 Jahren an der Börse ist.
Es wird dich vermutlich wenig überraschen, dass derjenige, der erst seit zwei Jahren an der Börse ist und nur von einer Hand voll Technologie-Unternehmen Aktien im Depot hat, darunter Tesla, eine deutlich höhere Rendite hatte als derjenige, der schon 20 Jahre an der Börse ist und fast 100 Unternehmen im Depot hat.
Für mich hinkt der Vergleich. Die Börse ist kein Sprint, es ist ein Marathon. Man muss die Performance über Jahrzehnte betrachten und selbst dann hinkt der Vergleich noch. Ich habe auch vor über 20 Jahren an der Börse angefangen.
Daher weiß ich, dass die einzelnen Sektoren sich unterschiedlich gut entwickeln. Man sieht immer wieder einmal, dass ein Sektor sich über Jahre gut entwickelt hat und danach über Jahre nicht mehr gut läuft. Irgendwann kommt dann aber manchmal erneut eine Zeit, da läuft der Sektor wieder gut und andere Sektoren schlecht.
Es bedeutet gar nichts, dass man vielleicht Aktien von fünf guten Unternehmen im Depot hat. Wobei es tatsächlich Anleger gibt, die handhaben das so und kaufen immer nur diese Aktien nach. Meist kommt irgendwann der Punkt, da laufen die nicht mehr. Deswegen streut man seine Investitionen üblicherweise breiter.
Dazu kommt, dass man immer wieder mal Aktien im Depot hat, die etwas schlechter über Jahre laufen aber dafür gute Dividenden abwerfen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass man nach zehn Jahren Aktien mit zweistelligen Dividendenrenditen im Depot hat.
Selbst wenn die Aktie dann nicht mehr so richtig aus dem Knick kommt, das Unternehmen aber wirtschaftlich gut dasteht, dann sagt man sich meist, egal und behält die Aktie. Zehn Jahre weiter können aus zehn Prozent Dividendenrendite schon das Doppelte werden, dies ist eine gute Rendite. Deswegen behält man diese Aktien dann.
Jeder Anleger hat ein anderes Ziel. Der eine will ein schnelles Wachstum im Depot haben, hat vielleicht noch 40 Jahre Zeit bis zur Rente, andere legen einen großen Wert auf hohe Dividenden, weil sie vielleicht diese Einnahmen im Alter brauchen und es nur noch zehn Jahre dahin sind. Diese Aktien laufen öfter schlechter als die von Tech-Werten. Dennoch sind diese Anleger damit sehr zufrieden, weil sie ihnen regelmäßig Dividendeneinnahmen bringen.
Meiner Ansicht nach kann man nur Depots miteinander vergleichen, wenn sie zur selben Zeit entstanden sind und ähnliche Beträge investiert worden sind. Andere Vergleiche funktionieren nicht wirklich.
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“Es bedeutet gar nichts, dass man vielleicht Aktien von fünf guten Unternehmen im Depot hat.”
Im Depot fünf richtige Aktien getroffen zu haben macht aber schon einen sehr großen Unterschied aus, siehe Tim Schäfer. Er hat natürlich mehr als fünf Unternehmen im Depot, aber ohne diese “richtigen” sähe sein Depot heute auch bedeutend kleiner aus. Wer dagegen nur mit fünf Unternehmen startet, weil sie “heute”, also ggf. das heute vor 20 Jahren, scheinbar die besten fünf Unternehmen sind, wird es schwer haben damit langfristig mehr als eine Durchschnittsrendite zu haben. Ich weiß daher nicht genau ob das Zitat in die eine oder die andere Richtung gemeint war, aber ich tendiere dazu zu widersprechen 😉
Ansonsten sehe ich es ähnlihch. Was hat man denn wirklich von einem Vergleich? Selbst wenn zwei Anleger zur selben Zeit starten, über die Zeit die gleiche Risikotoleranz und die gleiche Assett Allocation und immer die gleichen Investitionsbeträge zur Verfügung haben – was bis hier schon eine sehr große Kombination von vier wenns ist – werden sich die Depots dennoch unterschiedlich entwickeln, außer natürlich sie investieren zufällig nur in den selben ETF. Doch selbst wenn der eine dann 1% p.a. Unterschied hat, welche Aussage lässt es zu? Der (eher zufällige?) Unterschied war weder planbar noch ist er rückwirkend replizierbar.
Vergleiche können auf kleiner Ebene schon helfen. Um Anlageideen zu bekommen, natürlich eher strategisch als konkret, oder um abzuschätzen zu können ob man sich im richtigen Renditespektrum befindet oder ob man andere Verzerrungen einbaut, beispielsweise bei Depots mit den gleichen Unternehmen als Zielbestand doch der eine baut durch ständiges hin und her einen deutlichen Gebühreneffekt mit ein.
Insgesamt ist aber viel wichtiger, ob das eigene Anlageverhalten (noch) zur eigenen Persönlichkeit und den eigenen Lebensumständen passt. Anlageverhalten, Persönlichkeit/Emotionen und Lebensumstände können oder werden sich über die Zeit verändern und sie sollten stets im Einklang miteinander stehen. Auf dieser großen Ebene spielen selbst bei einer Person so viele Faktoren eine Rolle, dass man die von einer anderer Person nicht mal vollständig kennen und schon gar nicht im Hinblick auf ein “wer hat es denn nun ‘besser’ gemacht?” vergleichen kann.
Hallo Finanzheini,
man braucht viele Aktien, breit streuen, dann sind auch die guten Überflieger mit dabei. Ob eine Aktie, die in der Vergangenheit gut lief und heute einen hohen Depotwert darstellt, dies auch noch in zehn Jahren macht, weiß man nicht, deswegen breit streuen. Tim Schäfer hat auch nicht nur fünf Unternehmen im Depot, weil ihm das auch klar ist. Die Gefahr wäre einfach viel zu groß, dass diese Aktien später fallen.
LG Klaus
Hallo Klaus,
neben einem sinnlosem Schw***vergleich sehe ich zwei sinvolle Anwendungsbereiche für Portfoliovergleiche (bzw. eher Benchmarks). Beide dienen der Kontrolle bzw. dem “Schutz” vor Selbstbetrug.
Jeder Privatanleger sollte sich mMn mit dem ACWI AC (oder dem FTSE Gegenstück) vergleichen, wenn er irgendwie in Aktien investiert ist. Genauer gesagt, einer Kombination aus ACWI AC und einer 0% Rendite/Vola Anlage, die seinem Risikobedürfnis entspricht. Denn das ist mMn “der Markt”. Alle Aktien nach MK weltweit. Jede Abweichung davon – seien es Einzelaktien oder ein 70:30 ETF Depot – ist persönliche Meinung. Und die Meinung sollte nur dann eine Rolle bei der Geldanlage speilen, wenn sie nachweißlich zu Erfolg führt, darum der Vergleich.
Zusätzlich sollte sich (wiederum alles nur meine persönliche Meinung) jeder Einzelaktieninvestor mit einer Kombination aus ETF vergleichen, die ihrer Strategie entsprechen – und wer in Einzelaktien anlegt und keine Strategie hat, sollte hierüber schleunigst nachdenken! Dieser zweite Vergleich zielt weniger auf die Sinnhaftigkeit der Strategie (dafür gibt es Vergleich 1), sondern eher darauf, ob sich der zusätzliche Aufwand des Stock-Picking auch wirklich bezahlt macht.
Hallo Timo,
es gibt so viele Aktienkäufer, die gar keine Strategie haben. Wenn man die fragt, warum hast du diese Aktie gekauft, sagen sie, weiß auch nicht. Das kann nicht gutgehen. Derjenige wäre mit einem ETF wohl besser dran. Ein Vergleich mit dem S%P 500 oder einem MSCI World ETF könnte man aber machen. So würde man sehen, ob man seine Fähigkeiten überschätzt hat.
LG Klaus